DEADLINE

Eine sogenannte Deadline ist einen festgelegten Termin, bis zu dem etwas erledigt werden soll / muss. Für mich hat dieser Begriff die letzten sechs Wochen zwar keine völlig neue Bedeutung bekommen, der Begriff wurde jedoch neu definiert!

Die sechste Woche meines Praktikums im A.T. Studio fast hinter mir. Als ich am 19. August das A.T. Studio betrat, stolperte ich auch mitten in eine der ersten richtig großen Produktionen des Unternehmens hinein.

Schon von Beginn an waren die Arbeitszeiten ausgeweitet worden. Von Woche zu Woche und von Tag zu Tag wurde diese auch noch weiter hinausgezögert bis ich schließlich wie in der letzten Woche das Studio spät am Abend verließ. Die Zeit bis zum Produktionsschluss wurde immer kürzer, die zu fertigenden Teile schlummerten teilweise noch in Einzelteilen in Taschen. Sozusagen hat sich seit dem ersten Erwähnen der Deadline fast nichts geändert – was sich jedoch geändert hat: Die Designerteile betrafen auf einmal auch mich selbst. Ich war auf einmal auch mitverantwortlich für Designerteile. Somit fiel es mir überhaupt nicht schwer, die durchschnittlich 70 Arbeitsstunden in der Woche zu bewältigen. Aber jeder von uns kennt das, wenn die Dinge bis zur Deadline zu erledigen sind, gibt es keine andere Wahl als Augen zu und durch!

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Lunch auf dem Rooftop

Was hat es mir gebracht? War und ist es das Wert? Hat es mich verändert?

Es hat mir zunächst ein eulenartiges Erscheinungsbild verliehen, denn an jedem Morgen mit jedem Blick in den Spiegel gruben sich die Augenringe tiefer in mein Gesicht. Es hat mir auch unheimlich viel gebracht in Bezug auf Dinge im noch so kleinsten Zeitraum zu arrangieren und erledigen. Das bedeutet dann innerhalb von den zwei Stunden, die mir zuhause blieben: Kochen für den nächsten Tag, Wäsche waschen, Sozialkontakte wahren und ab und zu duschen. Des Weiteren habe ich mir die Naschereien am Arbeitsplatz und zwischendurch abgewöhnen müssen, was unter uns gesagt mit das Schwierigste war. Wer mich kennt, weiß, dass ich des ein Virtuose des Snackens und der Zwischendurchknabbereien bin.

In den letzten 6 Wochen habe ich unglaublich viele Phasen durchlebt. Zunächst die „Was will ich hier überhaupt?“ Phase, als ich mich noch Mise en place gefühlt habe. In dieser Phase durchlebt man auch die „War das Studium umsonst?“ und die „Ich hätte Lehrer werden sollen!“ Phase.

Die zweite Phase war die „Das alles überfordert mich!“ Phase. Neues Land, neue Stadt, zu viele neue Begriffe, zu viele Eindrücke, zu wenig Zeit für mich, zu wenig Zeit für Sport, … auf einmal war für all das was man sowieso nicht macht, wenn man tatsächlich Zeit hat zu wenig Zeit. Dieser Abschnitt hat besonders lange gedauert, denn man kommt da nur auf zwei Arten weiter: Entweder gar nicht, was zu Folge hätte man bricht das Praktikum und somit auch das Studium ab und wird zu Waschlappen der Nation, oder man beißt die Zähne zusammen und verzichtet die nächsten Wochen auf das ein oder andere. Lange Rede kurzer Sinn: Dritte Phase!

In dieser Phase realisiert man leider erst, was Tatsache ist: Praktikum in einer der tollsten Städte der Welt! In einer der Städte, in die ich mich schon vor ungefähr sechs Jahren verliebt habe und immer wohnen wollte! Bei einem aufstrebenden Mode- und Product-Menswear Designer! Und zu meinem persönlichen Vergnügen ist es hier in England alles andere als seltsam, wenn Männer Modedesign studieren, was wieder bedeutet sie machen das ein oder andere Praktikum und ich bin nicht nur wie in den letzten Jahren im Studium und im Mädchengymnasium von Frauen umgeben. Das verbindet doch schon einmal drei Dinge, dich ich liebe: Mode, London und Männer! Was will man mehr!

Dieses Praktikum verlangt allerdings zu jeder Minute 100% volle Konzentration, da für Fehler zu wenig Zeit ist und die Materialien zu hochwertig sind. Angefangen von meiner unglaublichen Verbesserung der englischen Sprache, einem sehr guten Zeitarrangement, Selbstständigkeit verbesserte ich auch viele Dinge, auf die man als Student bei seiner eigenen Kollektion aufgrund von Schluderigkeit oder Zeitmangels weniger Wert legt, wie Fadenlauf, Eingehen, genaues Lesen der Schnitte, rechte und linke Seite, Verformung, Verfärbung und viele mehr werden mir hier regelrecht ausgetrieben! Das Unwort eines jeden Neuankömmlings im Studio ist erst mal die grainline. Aber genau so vermeidet man die Fehler, an denen wir doch am Ende immer verzweifeln, oder? „Wenn es einfach nicht sitzt!“ oder die Teile nicht mehr zusammenpassen.

Sozusagen kann man sagen, dass es mir hier richtig gut gefällt! Ich werde gefordert, gefördert, habe Verantwortung und wurde sogar schon befördert, denn mittlerweile bin ich kein normaler Intern mehr sondern assistiere dem Sewer und erledige die für ihn notwendigen Kleinteile und Zwischenschritte. Das bedeutet, wenn ich versage, müssten wir unzählige Arbeitsstunden wiederholen! Ein bisschen stolz darf man da schon sein!

Um ab und zu doch noch am öffentlichen Leben teilzunehmen, habe ich ein paar nette Fotos, wie ich meine freien Stunden verbracht habe. Vor zwei Wochen hat es mich nach Chinatown verschlagen. Reizüberflutung ist da vorprogrammiert!

 

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Chinatown im verregneten London

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Mein erster Mooncake

So meine Lieben, meine Entdeckungsreise durch London wird ab diesem Wochenende so richtig beginnen, denn zum Einen bekomme ich lange erwarteten Besuch aus der Heimat und zum Anderen normalisiert sich meine Arbeitszeit wieder.

Bis nächste Woche,

Kiss, Andrea

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